2013/11/26

22 Monate, Teil 1

Lieber Levi,
ich muss mich ein bisschen beeilen, denn am 05.12. wirst du ja schon 23 Monate, und vier Wochen später unglaubliche zwei Jahre alt! Wohin ist die Zeit nur verschwunden? Aller Wahrscheinlichkeit nach bist du an deinem zweiten Geburtstag schon ein grosser Bruder. Ein grosser Bruder, wie toll ist das denn? Ab morgen bin ich in der 36. Schwangerschaftswoche und sehe schon aus wie ein Walfisch auf Beinen. Seit du gesehen hast, wie die Hebamme mit ihrem kleinen Walkman die Herztöne deines Bruders kontrolliert, kommst du regelmässig eifrig mit deinem Spielzeugstethoskop angerannt, ziehst mir den Pulli hoch und lauscht angestrengt ob alles gut ist. Dann streichelst du die Kugel, sagst "Baby, ei, ei" und schmatzt manchmal sogar noch ein Küsschen hinterher. Natürlich wissen wir nicht, in wieweit du schon begreifst, was in meinem Bauch passiert,aber diese kleinen Gesten sind trotzdem mehr als entzückend.
Morgens weckst du uns mit einem lässigen "Hallo, na?" und drückst erst mir und dann deinem Vater deine kleine Nase in die Wange und gibst ein Küsschen. "Mah! (Schmatz)" . Wer könnte da böse über das geweckt werden sein? Zumal es meistens nicht vor acht Uhr ist...
Lange habe ich überlegt, wie du zu der entspannten Redewendung "Hallo, na?" gekommen bist, mit der du immer wieder aufs Neue unsere Freunde, Familie und sogar Fremde in Restaurants und Geschäften begeisterst. Da kommt ein Dreikäsehoch in unser Stammcafé geschlendert, sagt "Hallo, na?" und stellt sich wie selbstverständlich vor den Tresen um sich einen Keks auszusuchen. Damit kriegst du jeden rum!
Irgendwann ging mir ein Licht auf: eine Freundin rief mich auf dem Handy an und ich begrüßte sie locker mit: rate mal. Da fühlt man sich ja sowas von ertappt! Ebenso wenn du auf die Steckdose zeigst, den Zeigefinger schüttelst und streng: "Nein, nein, nein!" sagst, oder wenn du bei einer der vielen (erfolglosen) Hausbesichtigungen der letzten Zeit auf dem Arm deines Vaters einen neuen Raum betrittst und übertrieben laut "Oooh" und "aaah" rufst.
Heimlich schämen wir uns und lachen zugleich darüber.
Überhaupt, das Sprechen. Von ganzen Sätzen kann nicht die Rede sein, aber du versuchst es unermüdlich. Den ganzen Tag wird gebrabbelt, gesungen und gerufen. Gestern hast du eine Postkarte verkehrt herum gehalten und mir mit ernster Miene daraus vorgelesen. Leider habe ich kein Wort verstanden, aber deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, waren es mindestens die Börsennachrichten. Besonders herrlich finden wir deine eigenen Wortkreationen. "Lodelodela (Schokolade)" ist ja schon älter, und mittlerweile müssen dein Vater und ich aufpassen, dass wir das nicht einfach in unseren Sprachgebrauch übernehmen und im Café eine Tasse Lodela mit Sahne bestellen. Neu hinzugekommen sind "Bika" und "Buckebuckee". Buckebuckee ist das grosse Buch der ersten Bilder und Wörter. Wir dachten zuerst, Buckebuckee wäre der Oberbegriff für Buch, aber nein, es ist nur dieses eine, ganz bestimmte Buch. Schon morgens ist Buckebuckee nach "Hallo, na?" eins deiner ersten Wörter, und sobald wir dich aus dem Schlafsck befreit haben, rennst du los in dein Kinderzimmer und kommst schnaufend damit zurück. Die Seite mit den Musikinstrumenten ist dir die allerliebste. Wie macht der Kontrabass? Das Waldhorn? Das Akkordeon? Kein Problem! Besonders schön ist das, wenn du Buckebuckee Gästen vertrauensvoll auf den Schoss legst, dich schnell daneben aufs Sofa wirfst, die Musikseite aufschlägst und zu jedem Instrument das passende Geräusch verlangst. Damit hast du sogar meinen alten Kumpel aus Hamburg, der "kinderlieb" nicht ganz oben in seinem Lebenslauf stehen hat, völlig aus der Reserve gelockt. Ich bin mir sicher, dass er als geläuterter Mann zurück an die Elbe gefahren ist und jetzt ernsthaft über Fortpflanzung nachdenkt. Vielleicht auch nicht.
Bika hingegen ist ein kleines Klavier, bestehend aus drei unterschiedlich farbigen Tasten, bei denen jedesmal ein Katzenkopf nach oben springt wenn man eine davon drückt. Bika kann nur eine Melodie, egal an welcher Kombination man sich versucht, und war der bestangelegteste Euro auf einem Berliner Flohmarkt aller Zeiten. Deine tollen Holzmusikinstrumente? Langweilig! Bika iat der Oberhit! Manchmal erhellt sich dein Gesicht schlagartig wenn dir Bika in den Sinn kommt, es entfährt dir ein verzücktes "Bika, Bika!!!", und das Konzert beginnt wenige Sekunden später. Bika wurde schon auf alle möglichen Arten und Weisen verdroschen. Als Gitarre, als Schlagzeug, und es wurde sogar mal versucht mit dem Mund zu spielen. Ein Universalinstrument, einfach toll. Unsere Freundin F. nannte dich beistert einen Klangkünstler, nachdem du ihr noch im Flur, ohne dass sie auch nur die Jacke ausziehen konnte, ein Konzert auf Bika, der Trommel und dem Xylophon gespielt hast. Dramatisch warfst du dabei die Arme nach oben und sangst auch noch ein Lied dazu. 
Da bleibt natürlich kein Auge trocken!
Morgen mehr!
Love, Mama

 

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